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Ihr wahren Feinde der Demokratie

Neulich, ich saß gerade im Auto, wurde ich ausgebremst von Feinden der Demokratie. Was erlauben die sich eigentlich? Wenn ich in meinem Auto sitze und es eilig habe, hat mich niemand aufzuhalten.
Je langsamer ich vorankam, desto höher schoß meine Wut. Irgendwann musste mein Lederlenkrad leiden, weil unverschämte Feinde der Demokratie mit ihrem Müllauto die Straße versperrten, während man im Radio Randnotiz etwas von brennenden Flüchtlingsheimen berichtete.

Tage später nutzte ich die Berliner S-Bahn. Ich hatte keine Lust mehr auf Menschen, die mein Leben einschränkten. 

Draußen herrschten angenehme 25 Grad. Doch die wahren Feinde der Demokratie lauerten auch hier. 25 Grad, für die Berliner S-Bahn Grund genug, wegen anhaltender Hitze für Stillstand auf den Schienen zu sorgen. Damit hatte ich Anlass genug, mich auf dem Bahnsteig auszutoben. Ich schrie, wie ich nur schreien konnte. Immer wieder warf ich die Frage in das Bahnhofsgebäude, was sich diese wahren Demokratiefeinde eigentlich herausnahmen, mich aufzuhalten. Wenn ich S-Bahn fahren möchte, dann ist das meine Entscheidung und dann hat die Bahn gefälligst auch zu fahren. Ich lebe in einer Demokratie und bin ein freier Mensch. Und ich lasse mich nicht einschränken. Von keinem noch so großen Feind der Demokratie.
Ich tröstete mich dann etwas, indem ich, als die Bahn endlich wieder fuhr, die Möglichkeit bekam, kostenfrei in der Zeitung meines Sitznachbarn mitlesen zu können. Da stand etwas von einem versuchten Anschlag auf eine Synagoge in einer Kleinstadt Sachsen-Anhalts.

Am Abend suchte ich schließlich Zuflucht in einem Supermarkt. Ich hatte Appetit auf Pizza und Rotwein. Und wenn ich Appetit auf Pizza und Rotwein habe, dann möchte ich auch Pizza und Rotwein. Und zwar schnell.
Doch was passierte stattdessen? Abends um 19.30 Uhr? Eine alte Schachtel stand an der Kasse und suchte in ihrer Geldbörse Kleingeld zusammen. Diese alte Feindin der Demokratie. Wieso geht die nicht einkaufen, während ich arbeite? Das macht die doch mit Absicht. Die ist nur hier, um mich in meinem Leben aufzuhalten. Diese 100-jährige Feindin der Demokratie gönnt anderen ihr Glück nicht. Deswegen hält die hier den Verkehr auf.
Ich sagte erstmal nichts. Nein, ich gönnte dieser alten Schachtel diese Befriedigung nicht. Selbst als meine Salamipizza langsam auftaute, war mir klar, dass die genau das möchte. Ja, diese Feindin der Demokratie möchte mein Ableben. Ich soll eine aufgetaute Pizza zu mir nehmen, die dann natürlich schon mit krankmachenden Bakterien versetzt sein wird.

Aber nicht mit mir!
Noch während die Kassiererin einen Storno ausrief, legte ich meine Pizza erstmal zurück in den Tiefkühler und wartete am Zeitungsregal darauf, dass sich die Schlange an der Kasse irgendwann auflöst.
In einer großen Tageszeitung mit vielen Bildern erkannte ich ein paar Politiker, die Morddrohungen erhielten. Darunter ein Foto eines hessischen Politikers, den jemand vor geraumer Zeit in seinem Garten mit einem Kopfschuss hinrichtete.
Minuten später legte ich die Zeitung wieder weg und hielt noch einmal Ausschau nach der wahren Feindin der Demokratie.

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