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Der Widerspruch in mir - ein Beitrag zum Krieg in der Ukraine


 Der Widerspruch in mir, er tobt sich aus wie Putins Soldaten am Schwarzen Meer. Und ich weiß nicht, was ich von diesem ganzen Scheiß halten soll. Klar, Krieg ist Mist, aber dann verwässert meine Meinung mehr und mehr. Krieg ist Mist.
Selbst bei der Frage, für was ich Wladimir Putin halten soll, gehen meine Gedanken zahlreiche Wege. Und keiner dieser Gedanken weiß, ob er in die korrekte Richtung geht.
Das erinnert mich an 1, 2 oder 3.
Ist Wladimir Putin ein Despot oder ein Diktator (ja, da gibt es tatsächlich einen Unterschied)?
Ist Wladimir Putin eine kranke Gestalt, die dringend Hilfe braucht?
Weiß Wladimir Putin nicht einmal, wer er selbst ist?
 Aber woher soll ich das dann wissen?
Wenn Putin ein Diktator ist, frage ich mich, wieso man ihn nicht längst stoppte? Ich erinnere mich an Dombass, an die Krim, an Georgien, an Russlands Rolle in Syrien. Und jetzt schreien plötzlich alle auf? Immerhin schreit ihr mal. Vielleicht schreit ihr aber auch nur, weil der Krieg immer greifbarer wird.

Gerade schrieb ich: Russlands Rolle in Syrien. Putin ist nicht Russland.
In Russland leben über 144 Millionen Menschen. Wieso bestraft man dann die russische Bevölkerung durch massive Sanktionen und sorgt dadurch für noch mehr Armut? Wieso schließt man russische Sportler von internationalen Wettbewerben aus?
Weil das genau die richtige Antwort ist, denn wer anderen Menschen Leid zufügt, gehört ausgegrenzt. Ist doch besser, als Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen.
Aber die Menschen, die die Sanktionen treffen (werden), haben kein Leid in die Ukraine gebracht. Und diesen Menschen schlägt nun eine Welle des Hasses entgegen. Diesen Hass bekommen vor allem aus Russland stammende Menschen zu spüren, die in anderen Ländern leben. Darunter sind viele Menschen, die selbst vor Wladimir Putin flüchteten.
Man kann Gewalt nicht mit Gewalt bekämpfen. Das bringt nie etwas.
Aber ich begrüße die Entscheidung, dass Deutschland Waffen an die Ukraine liefert. Mit irgendwas müssen sie sich doch verteidigen.
Merkst du selber, ne?

Menschen, die vor dem Krieg fliehen, sich wie Vieh in Züge quetschen, erreichen Berlin. Und ich bin froh über die Hilfsbereitschaft, über offene Arme, über eine Willkommenskultur, von der ich in den letzten Jahren nicht einmal zu träumen wagte. Weit über 200.000 Menschen demonstrierten gegen den Krieg, schaffen Platz und Wohnraum, Menschen aus der Ukraine werden mit Tee am Bahnhof empfangen. Es werden Spenden gesammelt.
Aber wieso erst jetzt? Wieso nicht schon 2015? Plötzlich keine Hetze mehr? Nur, weil die Bomben gefühlt unsere Haustüren streichen?
Mensch, freu dich doch, sei stolz auf jeden Menschen, der sich gerade engagiert.
 

Ich stelle mir die Frage, ob sich Deutschland tatsächlich weiterentwickelt hat, was Asyl und Migration angeht. Ich möchte diese Frage gerne mit Ja beantworten, fällt aber schwer. Vielleicht spielt ja auch hier der gefestigte Hass auf Russland eine Rolle. Der Russe – der Feind. Egal welcher der über 144 Millionen. Und die aus Russland stammenden Menschen, die in anderen Ländern leben, tauchen in dieser Zahl nicht einmal auf.

Ich habe die Nato nie gemocht, mit der EU freundete ich mich erst in den letzten zehn Jahren an und ich freue mich plötzlich, in einem Mitgliedsstaat der Nato leben zu dürfen. Mitten in der EU. Plötzlich puste ich kräftig durch, weil das Land, in dem ich lebe, in Auszügen an einen Hochsicherheitstrakt erinnert.
Luftraumüberwachung,
Menschen werden willkürlich kontrolliert,
Daten erhoben und ausgewertet,
Gesichtsscanner eingesetzt,
Telefone abgehört,
Mails mitgelesen,
es werden willkürlich Wohnungen durchsucht, so könnte ich ewig weitermachen.

Was soll da schon groß passieren?

Ich runzelte nicht einmal mit der Stirn, als Olaf Scholz den Etat der Bundeswehr »leicht« aufstockte. Ich frage mich nicht, warum man nicht auch den Etat für die Bildung »leicht« anhebt? Die Antwort darauf würde irgendwo zwischen Bombenhagel, zerstörten Schulen und einer Bildung, die nicht mehr möglich ist, herumstreunern. Außer, dass schon Kinder lernen, wie man mit Waffen umgeht.

Aber wenn man mehr Geld in Bildung investieren würde, ...

Ich verstehe Menschen nicht, die plötzlich die Farben blau und gelb für sich entdecken. Klar, Solidarität mit der Ukraine, das verstehe ich, aber die kann ich auch anders zeigen. Muss ich dafür auf Nationalflaggen zurückgreifen? Wir sprechen hier von der Nationalflagge eines Landes, in welchem Rassismus so verbreitet war, wie weiße Blutkörperchen bei einem an Leukämie Erkrankten.


Mensch, lass sie doch, wie soll man sich auch anders solidarisieren? Sei doch nicht so pingelig. Mal abgesehen davon, dass Kriege immer noch mehr Hass und Rassismus fördern, du lebst in einem sicheren Land, mitten in Europa, also höre auf zu jammern. Du lebst in einer der mächtigsten Industrienationen der Welt, hast Essen, hast Wasser, deine Kinder haben Bildung, deine Wohnung existiert noch.

In deiner Heimatstadt erkennst du noch den Fernsehturm. In Kiew nicht mehr. Das ist alles keine Selbstverständlichkeit, eher Luxus. Also habe Angst, dass das alles irgendwann nicht mehr da sein könnte. Weiß das zu schätzen, was du hast, und lass deinen Gedanken weiter freien Lauf.


 
   

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