Ich liege wach. Kann nicht schlafen. Liegt aber nicht daran,
dass sich die Federkerne meiner Matratze in meinen Rücken bohren. Meine
Gedanken sind noch in der Türkei, in Bulgarien, in Ungarn und auch all den
anderen Ländern, die wir während unserer Flucht aus Syrien kennenlernen
mussten. Meine Gedanken sind auch bei meiner Familie. Meine Frau, zwei meiner
drei Kinder. Unsere Wege haben sich auf der Flucht verloren. Einzig meine
10-jährige Tochter liegt mit in meinem Zimmer. Sie säuselt leise im Schlaf vor
sich hin. Und ich liege noch immer wach.
In Deutschland sind wir in einer Notunterkunft untergebracht. Als wir hier
einzogen, standen Menschen vor dem Haus mit Plakaten. Ich sah nicht, was darauf
geschrieben stand. Aber die Blicke der Menschen sahen hasserfüllt aus. Das
machte mir aber keine Angst. Blicke und Schreie voller Menschenhass verursachen
keine Ängste mehr, wenn man die hasserfüllten Blicke und Schreie von Bomben und
Maschinengewehren kennenlernen musste. Nichts kann schlimmer als Krieg sein.
In meine Nase steigt immer stärker werdender Geruch. Es riecht nach Feuer. Plötzlich
Schreie auf dem Flur. Schreie von bekannten und unbekannten Stimmen. Schreie
voller Angst. Schreie voller Hass. Es donnert gegen unsere Zimmertür, welche
aus Brandschutzgründen auch nachts nichts abgeschlossen werden darf. Die Tür
knallt auf. Wieder hasserfüllte Schreie. Und Brandgeruch wird stärker. Im
Zimmer stehen plötzlich vier Leute. Sie rufen, dass hier auch Asylantenschweine
drin wären. Sie kommen auf mich zu. Eine Bierflasche wird mir über den Kopf
geschlagen. Anschließend werde ich aus dem Bett gezogen, mit Tritten
malträtiert. Ich blute am Kopf. Im Kopf Gedanken an meine Tochter. Ich muss sie
schützen. Mir werden die Klamotten vom Leib gerissen, mein blutender Kopf immer
wieder auf die Erde geschlagen. Und dazu Tritte in die Magengegend. Ich
versuche, nicht zu schreien. Habe Angst. Die zerschlagene Bierflasche wird mir
an den Hals gehalten mit der Forderung „Sieg Heil“ zu sagen. Ich sage „Sieg
Heil“, weil ich gar nicht weiß, was es bedeutet. Anschließend werde ich auf
einen Stuhl gesetzt und gefesselt. Ich sehe, dass mein Kind sich die Bettdecke
über ihren Kopf zog. Das hat sie auch früher schon getan, wenn es Bomben
hagelte. Nun wurde sie entdeckt. Auch sie wird aus dem Bett gezerrt. Sie
schreit. Die anderen schreien auch. Aber eigentlich klingt es eher nach johlen
und feiern. Sie meinen zu mir, dass ich nur hier wäre, um Hartz IV
abzukassieren. Und jetzt werden wir dafür bezahlen. Und sie werden
Asylantenschweinen mal zeigen, wie Kinderarbeit in Deutschland aussieht. Mein
Kind lässt sich auf den Boden fallen. Ich beobachte, wie sie am Hals gepackt,
wieder hochgehoben und auf ihr Bett geschmissen wird. Ich schreie, biete ihnen
an, dass sie mich töten können, aber sie sollen bitte von meiner Tochter
ablassen. Und ich sehe, wie sich jemand auf meine Tochter stürzt, ihr das
Nachthemd vom Körper reißt, ihr den Slip auszieht. Ein anderer nimmt diesen,
kommt zu mir und stopft mir die Unterhose meines Kindes tief in meinen Mund.
Ich muss würgen, während immer noch weiter Blut aus meinem Kopf läuft. Meine
Tochter weint. Sie schreit und fleht. Ich weine auch. Draußen auf dem Flur
entfernte Schreie. Der Brandgeruch wird immer stärker. Er beginnt, in meiner
Nase zu beißen. Plötzlich steht jemand hinter mir, hält meinen blutüberströmten
Kopf fest, meint, dass es jetzt für den Asylanten eine Lektion im Kinderficken
geben würde. Und das wäre schließlich gang und gebe, da wo wir herkommen
würden. Ich werde gezwungen mitanzusehen, wie meine Tochter sich mit Händen und
Füßen wehrt, über ihr ein dicker, glatzköpfiger Mann. Er versucht, ihr über das
Gesicht zu lecken. Ein anderer beginnt nun, sie festzuhalten und lacht und
ruft, dass mein Kind ja noch gar keine Titten hätte und Assi-Kinder eh
unterentwickelt wären. Der, der meinen Kopf festhält, schreit mich an und fragt
mich, warum meine Tochter noch keine Titten hätte. Dabei ohrfeigt er mich und
meint, dass ich es wohl am geilsten finden würde, Mädchen ohne Titten ficken zu
wollen. Mir schießen Tränen ins Gesicht. Ich fühle mich kraftlos. Der Gestank nach
Feuer bringt nun auch immer stärker werdenden Qualm mit sich. Der schränkt mir
die Sicht ein. Ich sehe kaum noch etwas, höre nur noch meine Tochter weinen und
die Männer „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ schreien. Einer sagt: “nun
fick die doch einfach, was anderes kriegst du doch eh nicht.“ Dann wieder
Schreie. Eine mir unbekannte Stimme grölt, dass sie jetzt raus müssen. Das
brennt jetzt alles und sie müssten die Eingänge noch verriegeln. Dann ist alles
ruhig. Meine Tochter windelt leise. Ich huste. Dann ruf ich leise ihren Namen.
Ich höre langsame Schritte. Wieder Husten. Ich spüre, wie meine Tochter sich
auf meinen Schoß setzt, bitterlich weint, dann das Bewusstsein verliert und ich
hoffe, dass auch ich möglichst schnell und schmerzfrei befreit werde.
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