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Blind-Date mit einer Kick-Boxerin


Wir sitzen in einer Bar, irgendwo in oder bei Berlin. Du berichtest aus deinem Single-Leben und davon, wie Singles leben. Ich höre zu, sage also nichts. Und du fragst mich, wie das denn so wäre, ein Versprechen abgegeben zu haben, jeden Tag nur noch Kartoffelsuppe zum Fraß vorgesetzt zu bekommen. Woraufhin ich nur das tue, was ich nach vier Bier sowieso noch am besten kann. Ich schaue doof und sage nichts. Denn nach vier Bier etwas von mir zu geben, habe ich schon so manches Mal bereut. Aber auch nicht immer. Und du bestellst dein nächstes Bier. Möchtest mit mir anstoßen. Als erstes darauf, dass es Scheidungsrichter gibt und ich dank denen zum Glück nicht mein restliches Leben nur eine Frau lieben müsse. Der Drang, dazu etwas zu sagen, war so groß wie mein Harndrang selbst. Also ging ich pissen, kam dann wieder und meinte: "Weisst du, das stimmt gar nicht, was du sagst! Auch ich kann mehrere Frauen lieben. Erst kürzlich habe ich eine kennengelernt. Sehr süss sei sie, auch wenn ich sie auf den schwarz-weissen Bildern kaum erkennen konnte. Ja, und wir treffen uns vorraussichtlich im Dezember das erste Mal. Und so mit das Einzige, was ich von ihr wissen würde wäre, dass sie wohl Kickboxerin ist oder wird oder zumindest mal gerne werden möchte. Denn außer Hauen und gegen Bauchwände treten wäre da nicht viel. Ja, im Dezember ein Blind-Date. In der Weihnachtszeit zur Abwechslung auch mal ein wenig Romantik. Nicht immer nur Krieg und Geschenke."

Du schaust mich an, als hättest du inzwischen nicht nur viel zu tief ins Glas geguckt. Nein, deinem Blick zufolge hälst du mich auch für total irre und ich merke doch, dass du gerne etwas sagen magst, aber gerade nicht weisst, wie. Aus purer Rücksichtnahme schweige ich und höre der Stille zu, warte aber eigentlich nur darauf, dass du irgendwann das sagen kannst, was du willst. Und während ich warte, finde ich mich gut. Nicht nur, weil ich es voll cool finde, anderen Leuten die Sprache zu verschlagen, sondern weil ich inzwischen sogar allein durch Gesten dem Kellner zu Verstehen geben konnte, dass er mir doch bitte noch ein Bier bringen solle. Irgendwann verstand er es. "Und was sagt deine Frau dazu?" höre dich plötzlich sprechsagen. Damit stimmst du mich zuerst traurig, weil ich anfing, die Stille zu genießen, antworte dir dann aber doch. "Ach, weisst du, sie hat da vollstes Verständnis dafür. Und ich hoffe auch, dass sie sie auch gerne hat. Alles andere wäre sehr schade und bedenklich und ein Fall für den Psychologen." Wieder schaust du mich an und ich merke, wie deine Blicke langsam nerven. Und ich rede lieber weiter. Doch du schaffst es gerade noch, nach ihrem Namen zu fragen und ich antworte, dass sie wohl Leonie, Lucie oder Emilie heißen würde, ich das aber noch nicht so genau wüsste. Wieder schaust du mich an und fragst, wie oft wir telefonieren oder scypen oder whats-appen würden und ich schaue dich an. Ja, verdammt, du hast mich mit deiner blöden Fragerei sprachlos gemacht. Ich denke deswegen erst "Arschloch" und sage dann, dass sie das nicht könne, ihr bisheriges Leben würde sich ausschließlich auf gegen Bauchdecken hauen und treten beziehen. Ein Kickbox-Mädchen eben. Da wäre für solchen Mist wie scypen oder whats-appen gar keine Zeit und ich sage außerdem, dass ich ganz froh bin, wenn sie noch möglichst lange von diesem ganzen technischen Scheiß die Finger lassen würde. Wieder schaust du mich an. Ich schaue zurück. Du stellst dann diese wenig famouse und so bescheuerte These in den Raum, wie sonst nur deine nichtssagenden Blicke sind, dass Liebe doch gar nicht funktionieren könne, wenn man sich noch nie gesehen hat. Und dann mit einer Kickboxerin. Und ich würde für sowas meine Ehe aufs Spiel setzen. Und du behauptest, dass die doch nur mit mir spielen würde. Daraufhin erwiderte ich, dass ich mich genau darauf im Moment am meisten freuen würde. Wenn wir zusammen spielen. Aktuell ignoriert sie mich noch manches Mal, wenn ich zu ihr spreche. Vermutlich schläft sie. Ansonsten sind  Tritte und zarte Schläge ein Hochgenuß. Du erwiderst, dass ich nicht alle Tassen im Schrank hätte, du mich nie für solch einen Typen gehalten hättest, der auf Schmerzen stehen würde. Ich lache. Nehme einen großen Schluck Bier, mit welchem ich mein Glas leere, sage, dass es nichts schöneres gebe, für sie unter Garantie mein letztes Hemd zu opfern. Und ich weiss, dass sie mich von Herzen lieben wird. Und ich sie sowieso und bedingungslos. Ja, und ich komme zurück auf die These, dass Liebe nicht funktionieren würde, wenn man sich noch nie gesehen hat. Nach den vielen Bieren setze ich 100€ dagegen. Aber du bist inzwischen eingeschlafen, säuselst genüsslich vor dich hin mit deinem Kopf auf dem Tresen. Und dank dem Alkohol in dir und mir wirkst du wie ein neugeborenes unansehnliches Baby, wo man Väter verstehen kann, dass sie sich gegen eine mögliche Vaterschaft  sogar gerichtlich zur Wehr setzen. Dann stehe ich auf, nehme meine Jacke, möchte der Bar Lebewohl sagen und dir die Rechnung überlassen. Und ich sage: "Lebewohl Bar" und überlasse dir die Rechnung.

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