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Sehnsuchtsorte!



Seit meiner Jugend bin ich eigentlich immer gerne in den Urlaub gefahren. So ein in den Urlaub fahren war für mich in gewisser Hinsicht auch immer eine Entziehungskur vom Alltag. Also Entziehung von Stress, Entziehung von sozialen Kontakten, Entziehung von technischen Geräten. Und natürlich Entziehung auch von all dem anderen Scheiß, den man im Leben doch eigentlich gar nicht braucht und wenn er dann eben doch da ist, auch nur für Luxusprobleme sorgt. 


Urlaub war und ist für mich auch meist zehn von zwölf Tagen Regenwetter. Und ich rege zu sagen, dass mir dies rein gar nichts ausmachen würde. Aber ob Regen oder nicht, in Wahrheit ist Urlaub für mich heute doch nur das Befriedigen der Sehnsucht nach Orten, die einem irgendwann mal was gegeben zu haben scheinen. Nur was, ist längst vergessen. Aber war doch mal schön da, also wieder hin da. Die Sehnsucht danach war schließlich groß genug und wann hat sich diese blöde Sehnsucht eigentlich mal getäuscht? Ich konnte mich nicht daran erinnern. Und das Wetter spielte dabei tatsächlich nie eine Rolle.


Und plötzlich befinde ich mich im Urlaub und plötzlich befinde ich mich auf einer Insel, die konservativer scheint, als Maggie Thatscher, Wolle Schäuble und Bosbach gemeinsam. Und ich stelle außerdem fest, dass es schöner war, als mir dieses konservative Dings damals noch egaler schien, als das Paarungsverhalten notgeiler Ameisenmänner. Und nur, weil ich mit einer Oberflächlichkeit gesegnet war,  die mein derzeitiges Leben doch arg entkrampfen würde.
Völlig in Gedanken versunken klingelt man mich plötzlich aus dem Weg. Dies sei hier ja wohl auch ein Radweg und was ich mir überhaupt einfallen lassen würde. Einfach hier im Weg rumzustehen. Dann stand ich nicht mehr im oder auf dem Weg, sondern am Rand. Und zwar im wahrsten Sinne. Ich fühlte mich an diesem Ort als Randgruppe, als nicht dazugehörig. 


Und während ich am Rand des Weges auf dieser Insel stehe, merke ich, wie etwas immer tiefer in mich eindringt. Es ist die Frage, was ich hier überhaupt suche. Ach ja, Ruhe! Ganz vergessen! Doch mit dieser ist es erstmal vorbei, denn plötzlich hip-hopt ein Fahrrad in meine Richtung. Bepackt mit ziemlich vielen pubertierenden Jugendlichen, von denen einer einen Hip-Hop-Ghettoblaster in den Händen hält, aus dem viel zu laute Hip-Hop-Musik dröhnt. Ich hip-hoppe ein paar Beats mit, möglichst unauffällig, aber trotzdem deutlich genug, um meine enorme Toleranzschwelle gegenüber hip-hop-dröhnenden Jugendgruppen auf Hip-hop-Fahrrädern zur Schau zu stellen. Ein Mädchen auf dem Fahrrad lacht. Wahrscheinlich mich aus, aber das macht mir nichts, tat ich rege in mich hineinreden. Die Jugendgruppe kam vom örtlichen Inselzeltplatz, welchen ich selbst einst als Unterkunftsmöglichkeit auslotete. Im Anschluss daran verspüre ich scheinbar Lust dazu, diesen Platz noch einmal zu besuchen. Ich mache mich auf den Weg. Aber nur um festzustellen, dass der Zeltplatz inzwischen ja sowieso viel zu weit weg wäre. Das hat mir der Horizont verraten. Außerdem fängt es bestimmt auch gleich an zu regnen, also bitte Planänderung. 


Irgendwann, während meines Aufenthaltes an diesem Urlaubsort wurde mir klar, dass die Ruhe von damals heute keine Ruhe mehr ist. Sondern Massentourismus, welcher kaum mehr aufgefangen werden kann. Stattdessen schaue ich den Menschen in ihre Gesichter, die Worte von sich geben. Worte wie: "Weißt du, was das schöne hier ist? Es gibt keine Ausländer hier! Keine Türken, keine Araber, keine Iraner, nichts von denen!" Und ich muss feststellen, dass die Leute, die so etwas von sich geben, Recht haben. Es gibt hier niemanden, der groß anders ist. Außer ich. Aber ich empfinde mich überall als anders. Egal, wo ich bin. Und ich frage mich später, woran das wohl liegen würde, dass dieses ganze konservative Pack hier völlig unter sich ist. Außerdem frage ich mich, wo all die anderen wohl Urlaub machen würden. Die Autoren, die Väter, die Familien. Okay, letztere gibt es hier und dort ein paar, aber dann ausschließlich solche, wo die Eltern meist verhaltensauffälliger, als die Kinder selbst sind. 


Ja, ich fühle mich 10 Jahre später an diesem Ort so deplatziert, wie ein Flüchtling auf einer Pegida-Demonstration. Und trotzdem bin ich froh hier zu sein, denn ab sofort werde ich diesen Ort von meiner Sehnsuchtsliste ohne Widersprüche streichen können. Es ist Zeit für neue Erfahrungen, neue Orte und neue Menschen kennen lernen. Das klingt dann aber auch wieder ein wenig erschreckend, da ich mich eigentlich nicht für jemanden halte, der um alles in der Welt an altem festhält, also nicht offen für neues zu sein scheint. Diesbezüglich muss ich mir eingestehen, dass ich mich wohl erst einmal selbst kennenlernen sollte. Ein tolles Ziel bis zum nächsten Urlaub. 


Früher als gedacht begebe ich mich wieder auf jenes Schiff, was manche Touristen ganz spaßig als Flüchtlingsboot bezeichnen und trete die Heimreise an. Und ich freue mich auf meinen Alltag und dem damit verbundenen Stress, auf meine sozialen Kontakte, die technischen Geräte und natürlich auch auf den ganzen anderen Scheiß, den ich eigentlich gar nicht brauche und der nur Luxusprobleme mit sich bringt. Und ich mag sie doch eigentlich ganz gerne, diese Luxusprobleme. Gibt es schließlich auch noch andere.

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