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Kein Anschluss unter diesem Leben



Manchmal werde ich gefragt, was ich denn so den lieben langen Tag machen würde, außer am Computer zu sitzen und Bücher zu schreiben. Noch nie habe ich es geschafft, auf diese Frage eine Antwort zu geben, weil mich die Frage an sich viel zu sehr beschäftigt. Diese andauernd widerkehrende Frage zeigt mir andauernd und widerkehrend auf, was für ein mittelmäßiges Durchschnittsleben ich doch inzwischen führe. Und so ein mittelmäßiges Durchschnittsleben kann schon ziemlich einsam sein. Und damit meine ich wahrlich nicht, dass ich 25 Stunden am Tag am Computer sitze, um meine Bücher für die Nachwelt zu hinterlassen und diversen Menschen mit leichter Kost an Lektüre auf den Zünder zu gehen. Nein, so ist es ja gar nicht. Ich gehe auch mal raus. Zum Beispiel mit meiner Tochter auf den Spielplatz oder auch zu diversen Elternversammlungen, aber trotzdem muss ich feststellen, dass es keinen Anschluss unter diesem Leben gibt.
„Was machen sie denn beruflich?“
„Hmmm,naja, ich ähhh…schreibe Bücher!“
„Ach, und davon können sie leben?“
„Ja klar! Ich kann mit, aber auch ohne Bücher leben!“ 
 Und dann ist mein Gesprächspartner schon meist wieder weg. Und ich komme sowieso nie dazu, über den Inhalt meiner Bücher zu erzählen. Allein mit den Wörtern „Bücher schreiben“ stelle ich für sämtliche Gesprächspartner eine unüberwindbare Herausforderung dar. Die anderen gehen entweder putzen oder Bus fahren, sitzen im Büro oder verkaufen dies und jenes wie Klamotten und Lebensmittel oder kontrollieren in Bussen und Bahnen Fahrkarten. Und dann gibt es natürlich auch noch die, die gar nichts dergleichen tun. Die gelten dann eben als arbeitslos. Find ich nicht schlimm. Ich wäre auch lieber arbeitslos, als irgendwo am Fließband stehen zu müssen. Das bringt mich auf den Gedanken, dass ich schon früher nie wusste, was ich werden wollte. Ich wusste nur immer, was ich nicht machen wollte. Irgendwo am Fließband stehen. Treffe ich auf Spielplätzen solche arbeitslosen Mütter oder Väter, sind die meistens auch nie alleine, sondern haben immer auch andere arbeitslose Mütter oder Väter im Schlepptau. Sowas wie ich wird dann erst gar nicht beachtet und ausgegrenzt. Mangels gemeinsamen Gesprächsthemen entsteht dann sowas wie Arbeitslosenmobbing. Nur umgekehrt!
Noch besser sind die, die meine Bücher bei Lesungen in die Hände bekommen und fragen, ob ich denn nichts Richtiges gelernt hätte, worauf ich dann immer antworte, dass ich so richtig nie was gelernt hätte, was aber bitteschön nicht meine Schuld sei. Man möchte sich doch bitte direkt an mein Elternhaus oder an diverse, inzwischen pensionierte Pädagogen wenden. Die können dazu bestimmt mehr sagen. Ich bin für derlei Auskünfte die völlig falsche Adresse.
Es gibt natürlich auch Menschengattungen, die ich von mir aus meide. Das sind dann so welche, die beispielsweise über dies und jenes meckern. Aber nur deswegen, weil diese Leute permanent gehört werden wollen. Und die merken gar nicht, dass sie eigentlich permanent sprechen, ohne wirklich was zu sagen. Da wird hier über kriminelle Ausländer oder über über das schlechte Wetter, über steigende Preise, mies schmeckende Lebensmittel, das immer schlechter werdende TV-Programm oder über die eigenen Kinder gemeckert. Oft wird dann auch in einer Lautstärke kommuniziert, die überhören unmöglich macht. Solchen Menschengruppen gehe ich dann lieber nicht nur aus dem Weg, sondern halte auch so viel Abstand, dass ich sie möglichst nicht mehr hören muss. Ein fast aussichtsloses Unterfangen. 
Ein weniger aussichtsloses Unterfangen ist die Tatsache, dass ich mit meinem Leben doch eigentlich trotzdem recht zufrieden sein kann. Ja, gelebte Mittelmäßigkeit wollte ich früher nie haben. Hatte sogar Angst von ihr gefressen zu werden und genieße sie heute wie eh und je. Auch deshalb, weil sie mir jeden Tag vor Augen hält, dass ich andere Menschen gar nicht brauche, solange diese nicht genauso „normal“ sind und ein genauso extrem mittelmäßiges Leben leben, wie ich es tue. Dann schaue ich lieber allein auf ein Leben, auf mein Leben, habe weiterhin keinen Anschluss unter eben diesem, aber das ist bitte schön nicht meine Schuld. Und ich schaue auf mein aktuelles Leben und werde irgendwann auf dieses zurückblicken und es vermissen. Also genießen und weitermachen!

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