Ist doch gut gelungen, das Cover zum Buch. Finde ich!
Buchprämiere ist am 25.01. um 19.30 Uhr im Cafè Stilbruch in Gladbeck.
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Ein Auszug aus dem dritten Kapitel. Aus den ersten Lebensjahren Norberts:
Was folgte, waren Jahre, wo Arbeitslosenzahlen schneller stiegen, als die Pegel von Rhein und Mosel, 5-stellige Postleitzahlen eingeführt wurden und angezündete Flüchtlingsheime verbrannte Erde hinterließen, wo einst blühende Landschaften versprochen wurden.
Saskia arrangierte sich in den Jahren 1991 bis
1993 mehr und mehr mit ihrer eigenen Zukunfts- und Arbeitslosigkeit. Der
Hauptgrund dafür hieß für Saskia natürlich Norbert. Ich fand den Grund nicht
okay, denn wenn es sie überhaupt gab, trug die Schuld dieser inkompetente Arzt,
der lediglich Norberts Bruder oder Schwester abmurkste, aber eben nicht Norbert
selbst. Außerdem hätte ich auch schuld sein können. Bin ich doch eigentlich
sowieso immer, wenn irgendwo etwas so läuft, wie manche es sich nicht
vorstellten.
Zu jener Zeit fielen Saskias
Eltern ebenfalls der Langzeitarbeitslosigkeit zum Opfer. Und auch der immer
weiter schrumpfende Freundeskreis der Familie hatte sehr bald eine
Zukunftslosigkeit vor Augen, bei welcher man doch nicht ernsthaft erwarten
konnte, dass man die Schuld dafür auch noch bei sich selbst suchen sollte. Das
war wahrlich zu viel verlangt.
Und so passierte es beinahe täglich, dass Norbert
auf der braunen Auslegware der Wohnstube im Plattenbau lag, während die
Erwachsenen sich darüber unterhielten, dass die Asylanten, Kanaken und Bimbos
an ihren so traurigen und arbeitslosen Situationen die Schuld trugen.
Schließlich nahmen die nicht nur massig Arbeitsplätze weg, man konnte sich auch
kaum noch auf die Straße trauen. Das galt auch für ostbrandenburgische Dörfer
mit einem Ausländeranteil von 0,4 Prozent. Und diese Prozentzahl reichte schon,
weil die Ausländer sich bestimmt auch rasant vermehrten.
Für Norbert war das immer ein tolles Gefühl, wenn
er mitbekam, dass er doch nicht allein an allem schuld gewesen ist. Es gab
lediglich einen Unterschied. Den Asylanten,
Bimbos und Kanaken konnte man
nicht so den „Arsch voll geben“, Essen entziehen oder ins dunkle Zimmer
sperren. Na gut, hätte man durchaus, wenn man mit den Konsequenzen dafür
vorlieb nehmen wollte.
Sanktionen wie Essen entziehen oder mal gehörig
den „Arsch voll geben“ hatte bei Norbert dagegen keinerlei Konsequenzen. Und
daher erfuhr dieser sehr bald einen der wichtigsten Gründe für seine ungewollte
Existenz. Saskia brauchte dringend ein Aggressionsventil. Dieses fand sie
schließlich in ihrem Sohnemann.
Kurze Zeit später wurde Norbert in die nahgelegene
Kindertagesstätte zwangseingewöhnt. Und ich habe da wohl irgendwie was
verschlafen. Ich meine, die DDR war toll und ihren Tod bedauere ich noch heute,
aber ich konnte ja nicht ahnen, dass es gerade in Bildungseinrichtungen der
Fall war, dass die DDR noch mehr als sonst irgendwo gelebt wurde.
Der Kitaalltag
in ostdeutschen Kindertagesstätten hatte etwas Nostalgisches. Die Gören wurden
allesamt noch gemeinschaftlich auf den Topf gesetzt, gemeinschaftlich
zwangsgefüttert und gemeinschaftlich in die Ecke gestellt. Ja, man hätte
durchaus behaupten können, dass auch im Kitaalltag Kinder als Aggressionsventil
für Frauen jenseits der 50 dienten. Norbert diente also nicht nur zu Hause zum
Aggressionsabbau, sondern von nun an auch im Kindergarten. Und es gab weitere
Gemeinsamkeiten zwischen Kindergarten und zu Hause.
Beispielsweise
schien es oft egal, was Norbert tat. Schlug er mal über die Strenge, bekam er
eben das volle Überangebot an Überkonsequenz geboten.
Natürlich gab es auch einen
gravierenden Unterschied zwischen zu Hause und Kindergarten. In der
Bildungseinrichtung war das Hauen verboten. Zumindest von den Pädagogen. Das
irritierte anfangs leicht und deprimierte den Norbert zusehends. Wirkte doch
eine ordentliche Backpfeife zwar schmerzhaft, brachte aber wenigstens eine Art
der Aufmerksamkeit mit sich, für die der Norbert ein Leben lang kämpfen musste.
Mit 24 Monaten galt Norbert als ein ganz
besonderes Kind. Und viele Eltern wären bestimmt stolz auf ihn gewesen. Er
konnte schon richtig beißen. Auch Kindern in den Arm. Er schaffte es bereits,
den eigenen Essteller, ohne zu verschütten, hochzuheben, um anderen Kindern das
heiße Essen direkt ins Gesicht zu manövrieren. Auch mit dem Kinderbesteck
konnte er in seinem Alter schon bravourös umgehen. Nur konnte er noch nicht
wissen, dass man ein Messer nicht in Kinderbäuche rammt und Gabeln nichts in
der Wange Gleichaltriger zu suchen hatten.
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