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Die Traueranzeige


Da steht die Mascha auf dem Flur. An der wegen polizeilichen Zigarettenkonsum pissgelbverfärbten Wand gelehnt. Ihr Gesicht ist rot wie ein Feuerball. Durch Tränen der Trauer, Wut der Enttäuschung uud Drogen.
Da steht die Mascha nun und wartet, dass ein Polizist sie in sein miefiges Büro bestellt. Und sie wartet und wartet. Denkt dabei an den Thomas. Ihren Ex-Freund! Verlassen hat er sie in der letzten Nacht. 
Das Schwein.
Erst wurde ein letztes Mal gevögelt, dann ging er. Durch ihre Wohnungstür. Dabei liebte die Mascha den Thomas doch von ganzen Herzen. Und die Mascha dachte immer, wenn sie jemanden von ganzem Herzen liebte, kann er sie ja auch nicht verlassen. Doch das stimmt so wohl nicht, denn die Mascha ist nun wieder allein. Sowohl beziehungsmäßig, als auch auf dem Korridor des Polizeireviers.

In Maschas Nase steigt sich nahender Schweißgeruch.

Bis er vor ihr steht. Schweißgeruch in Form von Herrn Peters. Polizeihauptkommissar! 
Stark adipös,
so ähnliches wie Resthaar auf dem Kopf, 
Oberlippenschnauzbart. 
Herr Peters trägt eine wenig stylische Wrangler-Jeans, die von Hosenträgern gehalten wird und den Eindruck erweckt, als wolle sie das Jeanshemd, was in der Hose steckt, fressen. 
Die Mascha erschreckt. So stellte sie sich keinen Polizisten vor. Eigentlich erwartete sie einen gutgebauten End-Dreißiger, der kein Geheimnis daraus machen würde, sie während der Vernehmung zu vögeln. Doch vögeln mit Herrn Peters kam eher nicht in Frage. 

Der Polizeihauptkommissar nähert sich der Mascha. Sie streckt ihm ihre Hand entgegen. Er meint lediglich:
«So etwas tun wir hier nicht! Wenn ich jedem die Hand geben würde, hätte ich schon alle möglichen Krankheiten gehabt. Nein Danke!»
Er bittet die Mascha darum, an seinem Schreibtisch Platz zu nehmen.
Er sieht in ihr rotverfärbtes Gesicht. So etwas kennt er bereits. Für Herrn Peters war die Sache nämlich klar. 

Sonntagmorgen! Wilde Nächte! Alkohol, Drogen, Vergewaltigung, Mord. Letztes konnte er ausschließen, denn die Frau an seinem Schreibtisch atmet noch.
«Name?»
«Mascha Müller!»
«Alter?»
«29!»
Herr Peters schaut die Mascha an. Bezweifelt ihr Alter. Ihr Gesicht wirkt faltig, ihr Busen hängt herab. Ihr gesamtes Erscheinungsbild läßt sie mindestens 10 Jahre älter wirken.
«Wohnhaft?»
«Max-Merkel-Straße 3!»
«Wurden sie vergewaltigt?»
«Nein»
«Wurden sie betäubt?»
«Nein»
«Beraubt?»
«Nein!»
«Sondern?»
«Ich möchte eine Traueranzeige aufgeben!»
Wir sind hier kein Beerdigungsinstitut!»
«Das weiß ich doch! Nur die sagten mir, dass ich mich mit meinem Problem lieber direkt an die Polizei wenden solle, als ich ihnen davon erzählte, dass ich Trauer trage, weil mein Freund mir Schmerzen zufügte, weil er nach mir trat. Also weniger nach mir, sondern mehr nach meinen Gefühlen. Aber die sind ja ein Teil von mir.»
«Aha! Und was wollen sie jetzt hier?»
«Das sagte ich doch bereits! Ich möchte meinen Freund traueranzeigen. Hören sie mir eigentlich zu?»
«Was?»
«Ich möchte meinen Freund traueranzeigen!»
«Das habe ich verstanden! Nur was meinen sie damit?»
«Na, mein Freund sorgte für Trauer, weil er meine Gefühle mit Füßen tratt. Das ist doch Körperverletzung. Deswegen trage ich Trauer und plädiere daher auf besonders schwere Schuld!»
«Aha! Entschuldigen sie diese direkte Frage, aber spielen Drogen in ihrem Leben eine Rolle?»
«Die können keine Rolle spielen! Sorgen lediglich dafür, dass ich manchmal in Rollen schlüpfe!»
«Hab ich es mir doch gedacht!»
«Was haben sie sich doch gedacht?»
«Dass sie Drogen...»
«Wollen sie auch welche? Ich habe noch etwas Mariuanna, etwas Meth...»
«Also, wenn sie so direkt fragen! Wissen sie, mein Vorrat wurde gestern von Kollegen aufgebraucht und ich weiß, dass sie heute erst der Anfang sind. Da werden heute noch ganz andere Gestalten kommen, die was von mir wollen. Und wissen sie, anders hält man das gar nicht aus! Das Polizeirevier ist eben genauso wie das richtige Leben! Ohne Drogen geht es nicht mehr!»

Herr Peters schaut der Mascha zu, wie diese einen Joint baut. Seine Augen strahlen dabei wie die eines Dreijährigen, der seine erste Eisenbahn geschenkt bekommt.
Kurz bevor die beiden dann das Revier verlassen, notiert Herr Peters noch eine Notiz auf seinen Schreibtisch!
 

 Traueranzeige!
Keiner will mehr Polizist sein!
Ich gebe euch drei Wochen, um meine gerade freigewordene Stelle neu zubesetzen. Aber es wird euch nicht gelingen. Und dann wird hier alles in die Luft fliegen!
Oh ihr Glücklichen!

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