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Wenn es bergab geht, geht es irgendwann auch wieder bergauf - Ist nur schwieriger


Neulich in deinem Auto.
Auf der Autobahn.
Du hattest es eilig, was man dem durchgedrückten Gaspedal und dem Tachoanzeiger ansah. Du selbst saßt locker auf deinem Fahrersitz und sangst zu den Klängen von «Time to say goodbay,» als das Stauende vor uns auftauchte und uns krachend begrüßte.

Später im Krankenhaus besuchte ich dich und du meintest, dass du ein Bein verloren hättest, aber nicht schlimm, denn dein Platz wäre ab sofort sowieso im Rollstuhl und darin werden Beine eher überbewertet. Und du meintest, dass dir das alles nichts ausmachen würde, denn Leben ist so und ich gab dir recht.

«Was möchtest du jetzt machen?» fragte ich und du sagtest, dass du erstmal wieder zu Kräften kommen möchtest und das Leben dann schon bestimmen wird, wohin es geht. Ich dachte an Dinge wie Berge hinaufsteigen und mit dem Snowboard wieder hinunter fahren, sowie an andere Dinge, die dir bis zuletzt Spaß bereiteten. Ich dachte auch an deinen Lageristenberuf und andere Dinge, die dir keinen Spaß bereiteten. Und du sagtest, dass es ein großes Glück wäre, denn du müsstest deinen verhassten Beruf als Lagerist nun nicht mehr ausüben. Wir verstanden uns.
Und du hattest einen Traum. Statt mit dem Snowboard einmal mit dem Rollstuhl bergab fahren. Und diesen Traum erfülltest du dir. Wenn auch anders, als wir beide dachten.

Später traf ich dich wieder. Am Zoo, als Bratwurstverkäufer, und du sagtest, dass es im Leben nicht immer nur abwärts ginge. Es geht auch mal bergauf. Ist nur schwieriger. Vor allem, wenn man im Rollstuhl sitzt. 
 
In den nächsten Monaten musstest du lernen, dass es für dich, ohne fremde Hilfe, im Rollstuhl sitzend, nicht mehr bergauf gehen wird. Ich bewunderte dich immer wieder, wie viel Kraft du zu mobilisieren im Stande warst, den Berg allein hochzufahren. Und jedes Mal ging es auf halbem Weg wieder bergab und ab und zu kipptest du um.

Ich hätte dich gerne den Berg des Lebens wieder hinaufgeschoben, doch von anderen abhängig wolltest du nie sein, weshalb du meine Hilfe mit einer Intensität ablehntest, die in mir ein schlechtes Gewissen verursachte, weil ich dir meine Hilfe überhaupt anbot.

Inzwischen bist du weder von mir, noch von anderen abhängig, sondern lediglich vom Alkohol, der dich immer mal wieder ein Stück den Berg hinaufschiebt, um dich dann mit Karacho bergab zu schubsen. Dir aber egal. Du findest das lustig und bist überzeugt davon, bald wieder oben anzukommen, denn Leben ist so.

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