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Ich habe die Stadt verlassen,...

...mich plagte die Sehnsucht  nach Ruhe,
die Sehnsucht nach neuer Inspiration, Sehnsucht nach Zeit für mich, Zeit für die Liebe und für zwei Kinder, die mir wichtiger sind, als alles Vorstellbare. 
Und sonst? Zeit für niemand!
Wie jedes Jahr konnte ich auch diesmal der Knallerei weniger als nichts abgewinnen. Also suchte ich mir einen Ort, der mir nichts bot. 
Außer Ruhe.
Ich nannte diesen Ort Nichts. 
Mein ganz persöniches Nichts.
 Nach kilometerlangen Spaziergängen durch die Wälder des Nichts
über Wiesen und Felder,
drohte der Silvestertag immer näher zu kommen. Dieser Tag, mit dem ich so viel anfangen kann, wie mit Intoleranz, Neid und Missgunst. 
Und er machte seine Drohung wahr, dieser Tag. 
Kam ins Nichts gestiefelt wie ein Bauer.
Er stand vor mir, schrie:
"Neujahr
Neujahr,
Neujahr",
und ich stellte fest, dass ich noch gar nicht so weit war. 
Dieses Jahr sollte schon um sein?
Ver-ging ganz schön schnell dieses Jahr voller Sehnsucht in mir und Hass und Missgunst bei vielen anderen.
Wie gerne hätte ich diesen Silvestertag am Arsch geleckt und mich, wie an 364 Tagen im Jahr, weit vor Mitternacht schlafen gelegt, doch da war etwas, was man gesellschaftliche Norm nennt. Und die verlangte, bis Mitternacht wachzubleiben. Dafür gab es die gesellschaftliche Legitimation, sich erst komplett ins Delirium zu befördern, bevor man sich mit diversen Sprengkörpern drei Finger, die Hand oder den gesamten Körper zerfetzt. 
Und alles, um am nächsten Tag erst möglichst spät mitzubekommen, dass sich auch weiterhin nichts ändert. Außer, dass sich die Sieben in eine Acht in der Jahreszahl verwandelt. Müdigkeit (weil unausgeschlafen) oder Schmerzen (Aua, mein Finger, meine Hand oder das Auge) sei Dank. 

Gegen Nachmittag des sogenannten Neujahrstages fuhr ich aus dem Nichts zurück in die Stadt, über der ein leichter Nebel lag.
Die Straßen mehr zugemüllt, als befahrbar, Menschenreste wankten durch die Straßen, aus Mülleimern stiegen Qualmwolken auf. Auf der Straße eine Pfütze aus roter Körpersuppe, die kurz darauf meinen linken Vorderreifen schmückte. 
Dann quetschte ich mich an einem Feuerwehrauto vorbei, sah kurz hoch zu dem schwarzumrandeten Fenster im 3.Stock und dachte mir, dass sich so ähnlich, wie in diesem Moment, Menschen fühlen müssen, die es zurück ins Kriegsgebiet zieht. 
Sicherlich ein gewagter Vergleich, der aber lediglich auf meiner persönlichen Unerfahrenheit mit Kriegsgebieten zurückzuführen ist. 

Zu Hause angekommen, schaltete ich das Mobiltelefon ein und ließ unwichtige Neujahrsgrüße von zumeist unwichtigen Menschen über mich hinabregnen. 

ich setzte mich an meinen Schreibtisch, schrieb neugewonnene Inspirationen nieder, lächelte und nahm mir vor, diesem Jahr mit der Acht in der Jahreszahl, ein persönliches Motto zu geben. 
"Verzicht ist der neue Reichtum!"

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