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Was einmal ein Thriller werden sollte - 2.Teil! oder Was vorher geschah!

Zweiter Teil 
oder 
Was vorher geschah

«Sie müssen sich entscheiden!»

Meine Augen können nicht von der zierlichen Frau ablassen. Der Zeigefinger ihrer linken Hand dreht sich in ihren langen, braunen Haaren ein.
«Die Fortsetzung der Therapie macht nur Sinn, wenn sie sich von ihrem Mann trennen.»
Sie lächelt verlegen. Ihre puderzuckerweißen Zähne schimmern mir entgegen.
«Überlegen sie es sich bis nächste Woche.»
Frau Schulz nickt stumm, während ich ihr mit meinem Blick ein Loch in ihren wunderschönen Kopf zu bohren drohe. Dabei möchte ich so gerne woanders hinschauen. Kann ich aber nicht.

 Auf dem kleinen Glastisch neben mir ertaste ich ein Taschentuch. Auf meiner Glatze geben sich unzählige Schweißperlen ein munteres Stell dich ein. Mein Herz ähnelt einem Presslufthammer.



Frau Schulz erhebt sich, zupft sich ihre Bluse zurecht und reicht mir ihre Hand. Kurz darauf wird die Praxistür von zarten Frauenhänden ins Schloss gezogen.
Ich begebe mich ins Bad der kleinen Praxiswohnung. Dann gibt meine heruntergelassene Stoffhose den Blick auf gelblich, weiße storchenartige Beine frei. Eine Minute später schießt der ganze Druck gegen die Keramik des Waschbeckens.
Es kann so nicht weitergehen.
Es muss eine Entscheidung her.
Frau Schulz muss sich von ihrem Mann trennen, damit ich seinen Platz einnehmen kann.


In der Küche setzte ich mich an den kleinen Tresen und führe eine Flasche mit durchsichtiger Flüssigkeit zum Mund. Dank hochprozentigem Alkohol möchte ich irgendwann nicht mehr ausschließen, dass mein Rivale zufällig verunglücken könnte.
Da sind plötzlich Gedanken an durchtrennte Bremsschläuche, an ein zufälliges Fahren gegen einen Baum, nachdem er von einer unbekannten Person von der Straße gedrängt wurde. Oder Frau Schulzes Mann verschwindet schlicht und schnell von der Bildfläche.
Doch dann wären da nicht aushaltbare Tränen.
Tränen von Frau Schulz!
 Hineinsteigern würden sie sich in diesen Verlust. Typisch für sie.
Mir wird bewusst, dass es keinen anderen Weg zum gemeinsamen Glück gibt. Sie muss begreifen, dass es nur einen Mann in ihrem Leben gibt, der sie liebt. Der sie vergöttert. Und das bin ich.
Das stetige zum Mund führen der Flasche wird von einem ohrenbetäubenden Dauerklingeln unterbrochen. Der nächste Klient steht bereits auf der Matte. Auf den habe ich aber so wenig Lust wie auf ein Leben ohne Frau Schulz.

Mit Einbruch der Dunkelheit setze ich mich in meinen dunkelblauen Bully. Von unbändiger Sehnsucht getrieben fahre ich zum Sportplatz. Frau Schulz erwähnte in all den Sitzungen, dass sie dort mehrmals die Woche ihre Runden dreht.
So auch heute!
Aus der hintersten Reihe des Busses schaue ich durch getönte Scheiben meiner Angebeteten beim Joggen zu. Dabei rede ich mir ein, ihren Schweißgeruch in meiner Nase zu spüren. Mehr noch. Ihr Schweiß perlt scheinbar champagnermäßig auf meiner Zunge.


Seit einem Jahr geht Frau Schulz in meiner Praxis ein und aus.
Seit dem ersten Vorgespräch fühlte ich mich in ihren Bann gezogen.
Seit dem ersten Vorgespräch geistern meine Gedanken nur noch um sie. Nur noch um Frau Schulz.
Seit dem ersten Vorgespräch mache ich kein Geheimnis daraus, dass allein ihr Gatte an all ihren Problemen schuld ist. Er ist der Grund für ihren Studienabbruch und ihre Arbeitslosigkeit. Er ist der Grund für ihre Depressionen. Der Grund für ihre Fehlgeburten. Zum Glück Fehlgeburten! Niemand darf mit meiner Königin Kinder zeugen. Allein der Gedanke, dass meine Traumfrau von einem anderen Mann angefasst wurde, sorgt bei mir für einen fundamentalen Schweißausbruch.
«Frau Schulz, bitte haben sie Verständnis für meine Gefühle,» flüstere ich. Meine Worte höre ausschließlich ich selbst.
Frau Schulz hat nach sieben Runden um den Sportplatz zu gehen begonnen. Gleich wird sie sich zum Klamotten wechseln in die Umkleide begeben. Ich schaue ihr sehnsuchtsvoll hinterher.

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