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Ein Brief an Bündnis90/ Die Grünen

 

Hey, na wie geht’s?

Du kennst mich sehr wahrscheinlich nicht, aber ich beobachte dich schon eine ganze Weile. Seit 1998 um ehrlich zu sein. Dabei hast du dich damals kaum von den anderen unterschieden.

Da waren Kriege, die du befürwortet hast (ob aktiv den Kosovo-Krieg oder passiv den Irak-Krieg), da war die Sozialreform mit ALG II, was du mit unterstützt hast, und doch ging von dir ein gewisser Reiz aus. Ein Reiz, der neugierig machte.

Doch dann wurde bekannt, dass du in manchen Bundesländern mit der CDU ins Bett gehst, und damit fielst du für mich als Partnerin aus.

Die CDU ist für mich eine Partei von korrupten Gewaltverbrechern. Und mit Verbrechern sollte man keine gemeinsame Sache machen. Das hast du dann selbst erfahren müssen, damals in Hamburg. Dir blieb nichts anderes übrig, als die CDU wieder von der Bettkante zu stoßen. Leider hast du aus diesen Fehlern nicht gelernt und das machte dich ein Stück weit unsympathisch.

Dann tauchte plötzlich eine andere Partei auf. Diese Partei erklärte dich zu ihrem Feindbild, zu deinem Gegensatz. Und plötzlich hieß es:

Intoleranz gegen Weltoffenheit

Ewig Gestrige gegen die Zukunft
Abschottung gegen ein vereintes Europa
Dummheit gegen Intelligenz

Ja, manchmal braucht man erst den krassen Gegensatz, um zu zeigen, was in einem steckt.

Und doch kam es für mich auch weiterhin nicht in Frage, dich (aus-)zuwählen. Weil du mir noch immer zu sehr wie die anderen warst. Ich traute dir nicht zu, in einem Maße für Veränderungen zu sorgen, damit unsere gemeinsame Zukunft besser wird als die Gegenwart.

Aber inzwischen ist mir klargeworden, dass es nicht schlecht sein muss, zumindest teilweise wie die anderen zu sein. Wie sollen auch sonst Veränderungen gelingen, wenn man nicht in der Lage ist, Kompromisse einzugehen, das Große und Ganze nicht über den Haufen werfen zu wollen? Das Große und Ganze muss ja nicht immer schlecht sein, und Veränderungen sind trotzdem wichtig. Und inzwischen nötig. Aber darauf komme ich nochmal zurück.


Um mit dir eine Partnerschaft einzugehen, braucht man eine gewisse Reife. Weniger Egoismus, mehr das Große und Ganze sehen, man braucht die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen (es gibt tatsächlich noch immer Menschen, die glauben, dass eine Partei all ihre Forderungen in einem Koalitionsvertrag unterbringen kann). Dich zu verstehen, setzt eine hohe Intelligenz voraus. Du selbst wirkst ebenfalls sehr intelligent (aber nicht abgehoben) und ich finde Intelligenz schon anziehend.

Ein Beispiel dafür?

Wie oft stellte ich mir während der letzten Monate die Frage:

Wann beginnt endlich euer Wahlkampf?

Da sind Parteien, die spielen euch die Bälle zu. Mit Masken und der Aserbaidschanaffäre, mit Cum-ex-Skandalen. Die Natur spülte euch die Bälle zu, aber ihr habt die Chancen verstreichen lassen. Mich ärgerte das.

Bis ich mitbekam, dass es genau das ist, was euch ausmacht. Du willst nicht glänzen, indem du auf die Fehler der anderen zeigst, du möchtest durch eigene Stärke glänzen. Und da muss ich sagen, diese Eigenschaft finde ich umwerfend und verdient höchsten Respekt. Denn wollen wir nicht in einer Gesellschaft leben, in der, statt die Fehler der anderen, die eigenen Stärken zählen? Du gehst mit guten Beispiel voran. Chapeau.

Weißt du, ich finde deine Forderungen bärenstark und möchte sie gerne unterschreiben.

Natürlich gibt es Dinge, die kosten Geld. Aber was kostet uns die nächste Flut?

Was kostet der nächste Tornado?
Was kostet der nächste Waldbrand?

Seit Jahren greife ich aus Prinzip auf Ökostrom zurück, auch wenn mich das etwas mehr kostet. Ich möchte nicht erleben, wenn irgendwo wieder ein Atomkraftwerk explodiert.

Und natürlich gibt es auch bei diesem Thema wieder viele Dummschwätzer.

Es gibt keinen reinen Ökostrom.

Natürlich nicht. Bei Eon oder Vattenfall o.a. gibt es keinen reinen Ökostrom, bei Lichtblick, Naturstrom usw. jedoch schon. Nur das sind reine Ökostromanbieter.

Was bei all deinen Ideen aber wichtig ist: Sie müssen nicht nur zu Ende gedacht sein, sie müssen auch bis zum Ende durchgezogen werden.

Wenn ich also die Co2-Steuer erhöhe, also den Spritpreis teurer mache, wenn ich die Innenstädte autofrei gestalten möchte, brauche ich einen zuverlässigen und preiswerten Nahverkehr. Und dieser zuverlässige, preiswerte Nahverkehr fehlt leider in vielen Städten.

 Ich denke, wir sind uns da einig: 
1 X 1 ergibt nicht 2.
1 + 1 ergibt 2.

Das man aber über Belange wie Tempolimits nicht diskutieren muss, ist auch klar. Und an dieser Stelle muss ich gestehen, da denke ich sogar radikaler als du. Und das als Autofahrer.

Auf der Autobahn wäre ich für eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h

Auf den Landstraßen für 70 km/h
In Innenstädten flächendeckend für 30 km/h.

Da könne die vielen Bildleser ja froh sein, dass ich nicht du bin.

Weißt du, meine Uhr tickt, die Uhr der Erde sowieso, immer rasanter.

Ich glaube, ich könnte mir da was mit dir vorstellen. Denn wenn nicht jetzt, wann dann?

Da sind kommende Generationen, für die jeder heute Verantwortung trägt.

 
Früher hieß es immer: Diese heruntergekommene Jugend. Die wird all das zerstören, was wir aufgebaut haben.
Ja, jahrzehntelang wurde auf die Jugend herabgeschaut.

Und heute?

Da schaut die Jugend mit besorgtem Blick auf die Erde und mit wütendem Blick auf die älteren Generationen.

Wie sich die Zeiten doch wandeln.

 

Wenn ich dir eine Chance gebe, bitte enttäusche mich nicht. Wenn du wieder mit der CDU ins Bett steigst, wäre dass das Ende. Für dich, weil es dich für Jahre zurückwirft, für das Klima, weil zwar geredet (und gelogen), aber nicht gehandelt wird, und für uns beide sowieso. Denn das mit den korrupten Gewaltverbrechern hatte ich schon mal erwähnt.

Bitte sei vernünftig!

Es kann nur noch um eine Frage gehen.

Und die Frage ist nicht, ob wir was verändern oder ob wir so weitermachen wollen wie bisher.
Die Frage ist, wer etwas verändert.
Nutzen wir unsere letzte Chance? Verändern wir alles, was notwendig ist, um den Klimawandel aufzuhalten?
Oder sorgt das Klima selbst für Veränderungen? Mit der nächsten Flut, dem nächsten Feuer …, all das wird kommen, wenn wir jetzt nicht handeln.

Ein Weiter so wird es definitiv nicht geben!

Was nutzt eine intakte Wirtschaft, wenn Arbeitsplätze der nächsten Flut zum Opfer fallen??

Was nutzt eine intakte Wirtschaft, wenn die Lebensmittel, vor allem das Obst und das Gemüse, immer teurer werden, weil das Klima so verrückt spielt, dass es eigentlich in die Geschlossene gehört und alle deshalb immer öfter draufzahlen müssen?

Dann wird es keine intakte Wirtschaft mehr geben.

Nichts wird funktionieren ohne eine intakte Umwelt.

Komm, lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Erde die Intensivstation bald wieder verlassen kann.

Das schaffen wir aber nur gemeinsam!

Ich freue mich, von dir zu hören.

Dein Torsten Siekierka



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